„Mama ich hab einen schwarzen Zahn“ – wie Kinder in Grundschulen an den Pranger gestellt werden
Mein Sohn kam in die erste Klasse. Als wir das Klassenzimmer sehen durften freute ich mich über die Froschgesichter von Janosch an der Wand. Jedes Kind hatte so einen Frosch mit seinem Namen an der Wand hängen. Süß dachte ich noch – wusste ich ja noch nicht wozu diese Frösche gedacht waren. Schließlich war die Lehrerin so nett bei der Begrüßung und hat die Kinder mit ihren Eltern herzlich willkommen geheißen. Ich war einfach froh, dass mein Sohn eine nette junge Lehrerin bekommen hat.
Leider habe ich als Mama es erst viel viel später realisiert, was sich in dem Klassenzimmer abgespielt hatte. Und so wie mir geht es tausenden von Eltern mit ihren Grundschulkindern. Mein Sohn ist inzwischen erwachsen. Aber in meinen Elternrunden berichten die Eltern immer noch regelmäßig von den Fröschen an der Wand.
Was hat es mit diesen Fröschen auf sich?
Sie dienen der Bloßstellung der Kinder. Denn immer dann, wenn ein Kind seine Hausaufgabe vergessen hat, wird ein Zahn schwarz angemalt. Für alle Kinder ist also sichtbar wer seine Hausaufgabe nicht gemacht hat. Manche Lehrkräfte benutzen auch „Eckenkarten“ oder Strichlisten an der Wand und ähnliches. Die Wirkung dieser Maßnahmen ist verheerend. Es begünstigt Mobbing, es beschämt und stellt Kinder bloß. Früher mussten die Kinder in die Ecke stehen oder bekamen Tatzen. Heute ist die Gewalt verdeckter.
Außerdem wird damit legitimiert, dass man ein Kind bloßstellen darf – Mobbing!
Hausaufgabenstress
Eltern melden mir häufig zurück, dass die Hausaufgabensituation zu Hause sehr stressig ist. Die Kinder stehen offenkundig unter einem hohen Druck alles richtig zu machen. Selbst wenn sie aus Versehen die falsche Hausaufgabe gemacht haben oder etwas fehlt wird der Zahn zumindest zur Hälfte schwarz. Manche Kinder schreiben die Hausaufgabe falsch ab oder werden nicht rechtzeitig fertig mit dem Abschreiben. Eltern verbringen ganze Nachmittage damit, in Whatsapp-Gruppen herauszufinden, was die Kinder auf haben. Ein Mega-Stress das Ganze. Der Ursprung liegt aber in der Schule. Zig Eltern machen dann die Hausaufgaben für die Kinder nur um sie vor der Bloßstellung zu bewahren. Die Gewalt geht vom System aus.
Mich würde ja interessieren, wer den Lehrkräften diese schwarze Pädagogik aus dem vorigen Jahrtausend beibringt. Schulangst wird schon sehr früh gelernt. Und kein Kind kann sich dem entziehen.
Autoritäres Erziehungssystem
An den Schulen herrscht ein autoritäres Erziehungssystem1. Die Eltern lernen aber in Kursen und aktuellen Büchern ein autoritatives Erziehungssystem2. Sobald aber die Kinder in die Schule kommen kippt die Erziehung zu Hause häufig auch in ein autoritäres System. Sehr zum Schaden für die Familienbeziehungen und der Entwicklung der Kinder.
Schulknick
Dieser „Schulknick“ ist deutlich spürbar und auch sichtbar. Die Frösche stehen für mich für ein perfides System der Kontrolle und Machtausübung an den Schulen. Vielen Lehrkräften ist überhaupt nicht klar was sie damit anrichten. Es geschieht nicht aus Boshaftigkeit sondern schlicht aus Unwissenheit. Die Lehrkräfte denken tatsächlich, dass das eine gute Methode ist um den Kindern Disziplin und Gewissenhaftigkeit beizubringen. Die Kinder sollen damit eine gute Arbeitshaltung lernen und sich konzentrieren. Aber unter Angst und Stress lernt es sich schlecht.
Wer hat Angst vor´m schwarzen Zahn?
1Autoritäres Erziehungssystem: Hohe Autorität der Bezugspersonen, wenig Berücksichtigung der Bedürfnisse der Kinder, klare Hierarchie, strenge Regeln, Erziehung über Lob und Strafe, distanziertes Bezugsperson-Kind-Verhältnis
2Autoritatives Erziehungssystem: „Spielerischer Einsatz“ der Autorität, kindliche Bedürfnisse werden respektiert, partnerschaftliches Miteinander, klare Regeln, Verhandlungsbereitschaft, der Fokus liegt auf Eigeninitiative und Selbständigkeit des Kindes