Kindergartenplatz verloren
Zu intelligent für den Kindergarten?
Ich habe ja schon viel erlebt. Aber diese Geschichte (ich kenne mittlerweile mehrere Kinder, die ähnliches erlebt haben) ging mir unter die Haut.
Nennen wir ihn Michael. Michael ist 5 Jahre alt. Vor etwa 1 1/2 Jahren wurde er aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten wie verzögerte Reaktion auf Ansprache oder fehlender Emotionsregulation der Frühförderung vorgestellt. Dort wurde unter anderem eine Intelligenzdiagnostik durchgeführt mit einem weit überdurchschnittlichen Ergebnis. Das war auch schon das einzige, das besonders auffällig in der Diagnostik war.
Nun ist Michael, wie alle hochbegabten Kinder, sehr interessiert an seiner Umwelt und vertieft sich gerne in spannende Themen. Dabei vergisst er manchmal alles um sich herum. Wenn also die Erzieherin alle Kinder zum Stuhlkreis ruft bleibt er meist sitzen – vertieft in seine Aufgabe. Erst wenn man ihn direkt, Face to Face anspricht reagiert er. Und da braucht er dann auch noch etwas Zeit um sich von seiner derzeitigen Aufgabe zu verabschieden. Unter dem Aspekt der Hochbegabung völlig normal.
Dann erträgt er sehr schwer Ungerechtigkeit. Wenn also ein anderes Kind ungerecht behandelt wird, mischt er sich ein und ergreift Partei.
Außerdem versinkt er in seiner Emotion. Egal in welcher. Und Emotionsregulation fällt ihm schwer. Da kam es dann schon auch zu starken Wutausbrüchen mit Kratzen und Beißen.
Nachdem Michael bei einem Ausflug mal wieder nicht sofort auf Zuruf reagiert hat. Faßte ihn die Erzieherin grob am Arm. Sie war total genervt von ihm.
Jetzt ist es ja so, das wir in den Kindergärten sehr große Gruppen (20 +) haben und die pädagogischen Fachkräfte mit Personalnot zu kämpfen haben. Insofern fallen Einzelförderung und sensibler Umgang leider oft hinten runter. Und leider mehren sich auch die Fälle von Gewalt in Kitas: https://www.br.de/nachrichten/bayern/gewalt-in-kitas-zahl-der-meldungen-steigt-stark-an,TPu3dnT
An diesem Mittag, als die Mutter Michael abholen wollte stellte man die Mutter vor vollendete Tatsachen. Ab morgen dürfe Michael nicht mehr kommen. Er sei nicht Gruppenfähig.
Bum, Stempel drauf, abgelehnt. Von jetzt auf gleich standen die Eltern ohne Betreuung da.
Michael ist inzwischen in einer anderen Einrichtung untergekommen. Doch die Spuren der ersten Jahre sind deutlich an ihm zu spüren. So fing es wieder an mit Einnässen und emotionalen Ausbrüchen. Auch der jetzige Kindergarten ist damit überfordert. Wo führt das noch hin?
Bei allem Verständnis für die Situation in den Kindertagesstätten – die Kinder können nix dafür! Wir brauchen Wissen über Hochbegabung und Bindung bei den Fachkräften. Außerdem bessere personelle und finanzielle Ausstattung in den Kitas. Gruppengrößen von über 20 Kindern pro Gruppe sind für die kleinen definitiv zu groß. Viel zu viel Lärm und Reize, die verarbeitet werden müssen.
Michaels Eltern haben sich intensiv mit dem Thema Hochbegabung auseinandergesetzt und sind in guter Beratung. Zeitgleich wurde die Betreuungszeit so weit wie möglich reduziert. Damit konnte sich Michael entspannen und wieder mehr Sicherheit gewinnen. Es ist noch ein Weg zu gehen – hoffentlich klappt der Schulstart besser.
Natürlich habe ich Namen und Details verändert um Michael und seine Familie zu schützen. Die Geschichte steht beispielhaft für leider immer mehr Kinder im Kindergartenalter….
Bindung und Hochbegabung gehört für mich absolut zusammen. Deshalb habe ich mich auch genau in diesen Bereichen weitergebildet.