Hochbegabung vs. Autismus

Larissa (Name geändert) lernt schnell und begreift schnell. Die vielen Übungen im Unterricht langweilen sie. In der Pause ist sie alleine. Sie kann mit niemandem was anfangen. Hausaufgaben sind eine Qual und in der Mittagsbetreuung ist es viel zu laut.

Larissa zieht sich immer mehr in sich zurück. Sie nimmt zwanghafte Verhaltensweisen an. Nie auf eine Linie treten und so was. Das gibt ihr innerlich Halt. Eine Orientierung in einer Welt, in der sie scheinbar niemand versteht.

Jahrelange Unterforderung führt zu somatischen Beschwerden

Nach Corona, Larissa ist auf einer Gesamtschule, wird es schlimmer. Sie hat häufig Bauchschmerzen und geht nicht mehr in die Schule. Smalltalk kann sie nicht und so fällt es ihr schwer Kontakte zu knüpfen. Immer mehr zieht sie sich in sich zurück und verweigert die Schule. Schule ist eine Qual für sie geworden.

Durch die ständige Langeweile passt sie überhaupt nicht mehr auf. Sie ist in ihre Traumwelt versunken. Die Noten rauschen ab. Viele der Aufgabenstellungen versteht sie falsch. Thema verfehlt, Aufgabe nicht verstanden. Sie kommt sich mächtig dumm vor.

Angst und Unsicherheit begleiten ihren Alltag. Als Ernährung hat sie vegane Ernährung gewählt. Eine letzte Möglichkeit der Selbstbestimmung.

Lebensskript I Seelsorgepraxis Schmider

Ausweg aus der Schulverweigerung

Durch die vielen Fehlzeiten kommt es zu einem langen Aufenthalt in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie. Der Alltag dort hilft ihr zunächst. Im Klinikunterricht blüht sie anfangs sogar auf. Dann aber wird wieder alles Routine und sie zieht sich zurück. Larissas Diagnose: Autismus-Spektrum-Störung

Die 3 Hauptmerkmale, die auf eine autistische Störung hinweisen sind:

  • gestörte soziale Interaktion
  • beeinträchtigte Kommunikation/Sprache
  • wiederholte, stereotype Verhaltensweisen und Interessen

Bei der Diagnostik wurde auch ein IQ Test durchgeführt, der mit einem Wert von 128 sehr hoch ausfiel. Doch laut dem Team sei das nur eine Zahl, ohne weitere Bedeutung und zeige lediglich, dass sie kognitiv nicht beeinträchtigt sei.

Larissa wurde aufgrund fehlender Mitarbeit und stockender Entwicklung entlassen.

Ende der klassischen Behandlung

Die Eltern wandten sich nun an mich.

Ich komme mit Larissa schnell und gut in Kontakt. Sie wirkt auf mich zunächst skeptisch aber im Laufe des Kontakts immer offener und zugewandter. Nach 3 Beratungen führe ich erneut einen IQ-Test durch. Diesmal ist das Ergebnis deutlich über 130. Larissa kommt zu den Spieletreffs und lernt immer mehr über Hochbegabung. Sie trifft andere Peers und wacht langsam auf.

Eine Hilfe, die auf Larissa zugeschnitten ist

Zeitgleich leiten die Eltern ein Homeschooling über das Jugendamt ein. So kann Larissa sich zu Hause auf einen Schulabschluss vorbereiten. Das kommt ihr sehr entgegen.

Nach einigen Beratungen und auch Unterstützung der Eltern stabilisiert sich Larissa. Im Kontakt mit anderen hochbegabten Kindern verbessert sich ihr Sozialverhalten. Langsam lernt sie auch Smalltalk. Wie ein Fremdsprache zwar aber das wird immer besser.

Die autistischen Verhaltensweisen treten in den Hintergrund. Larissa fasst nach und nach immer mehr Vertrauen zu Menschen. Aber sie hat auch immer mehr Kontakt zu anderen hochbegabten Teenagern. Sehr hilfreich sind die Freizeiten von Mensa für sie.

Fehlentwicklungen entstehen, wenn Hochbegabung nicht erkannt und gefördert wird

Larissa ist ein Beispiel für eine Fehlentwicklung wenn Kinder mit Hochbegabung nicht erkannt und gefördert werden. Als Überlebensstrategie hat sie sich quasi autistische Verhaltensweisen angeeignet. Die kann sie aber wieder loswerden durch passende Förderung.

Je früher eine Hochbegabung erkannt und gefördert wird desto besser für eine stabile Persönlichkeitsentwicklung.

Der Kampf mit dem Unwissen der Fachleute

Der Vater von Larissa meinte es sei so schwer wenn 90 % der Fachleute was anderes empfehlen als 10 % der Fachleute im Bereich Hochbegabung. Aber er merke, dass es besser ist auf die 10 % zu hören. Denn dadurch verbesserte sich die Situation für Larissa merklich.

Es wäre so hilfreich, wenn das Thema Hochbegabung in allen Ausbildungen vorkommen würde. Und zwar nicht als Randthema sondern ganz zentral. Denn wenn eine Hochbegabung nicht berücksichtigt wird dann kommt es zu Fehlbehandlungen!

Ein hoher IQ ist mehr als nur eine Zahl!

Die üblichen Testergebnisse auch in der Persönlichkeitsdiagnostik müssen bei hochbegabten Menschen anders interpretiert werden. Nur so kann eine hilfreiche Behandlung gelingen. Mehr dazu unter diesem Link.

Übrigens – man kann natürlich auch immer beides haben. Hochbegabung und Autismus. Oder Hochbegabung und ADS usw. Aber zu einer wirksamen Behandlung muss ich die Hochbegabung in jedem Fall mitberücksichtigen.

Du möchtest mehr über Fehldiagnosen wissen? Dann schau dir mal diesen Flyer an: